KNIGGE-TICKER II

Hier finden Sie ab sofort die neuesten Veröffentlichungen des "Arbeitskreis Umgangsformen International"

30.09.2024
„Tipflation“ – gerät das Trinkgeld außer Kontrolle?
Das in den USA entstandene Phänomen der Trinkgeldinflation („Tipflation“) ist in der deutschen Gastronomie angekommen. Es fördert heiße Debatten über die angemessene Höhe eines Trinkgeldes sowie teils heftigen Umut bei Gästen. Letzteres vorrangig dann, wenn diese sich unter Druck gesetzt fühlen, einen bestimmten, bereits vorgegebenen Betrag zu spendieren. Ausschlaggebend dafür sind digitale Bezahlgeräte. Diese übernehmen entweder das Ausrechnen des Trinkgeldes, zwar auf den Cent genau, meist jedoch in einer festgelegten Höhe von mindestens zehn Prozent der Rechnungssumme. Oder die neuesten Touchscreens, die es auch in Deutschland zunehmend gibt, bieten eine Auswahlmöglichkeit von zum Beispiel 10, 15 oder 20 Prozent Trinkgeld an. Die Möglichkeit zum Ablehnen aller Vorschläge findet sich bei vielen Geräten nur nach längerem Suchen oder auf Nachfrage bei der Servicekraft, was Gästen oft zu peinlich ist. Außerdem tauchen solche Programmierungen inzwischen auch an Orten auf, an denen es bislang unüblich war, Trinkgeld zu geben, etwa im Backshop oder an einem Edel Imbissstand. Es stellen sich somit vier Fragen. Erstens: Hat sich das Trinkgeld in der deutschen Gastronomie von der freiwilligen Leistung eines Gastes zu einer „Pflichtveranstaltung“ entwickelt? Zweitens: Ist die bestehende „Faustregel“ zur Trinkgeldhöhe im Restaurant von fünf bis zehn Prozent der Rechnungssumme hinfällig? Drittens: Soll das Trinkgeld bei Kartenzahlung ausschließlich mit dieser bezahlt werden, statt es wie bislang empfohlen in bar dazuzulegen? Viertens: Zählen Selbstbedienungs-Einrichtungen, Imbissstände oder Bäckereien neuerdings im gastronomischen Sinn als „Trinkgeld-üblich“? Darauf vier klare Nein-Antworten, die allerdings mit Zusätzen versehen sind. Umfragen der jüngsten Zeit zeigen: Die Zahl der Gäste, die im Restaurant ein Trinkgeld in der früher üblichen und in Deutschland nach wie vor empfohlenen Höhe zwischen fünf und zehn Prozent geben, sinkt beständig. Auch wenn es als freiwillig bezeichnet und „nur“ als eine gesellschaftliche Gepflogenheit angesehen wird, einen guten Service auch finanziell zu belohnen: Es ist und bleibt wünschenswert, dass Gäste diese Art des Dankes weiter pflegen und wenn möglich sogar den Prozentsatz etwas erhöhen. Schließlich macht die Inflation vor den Portemonnaies der in der Gastronomie Beschäftigten nicht halt. Wer also in Ausnahmefällen für besonders herausragende Leistung mehr als zehn Prozent geben möchte, braucht sich das nicht zu verkneifen. Ein Trinkgeld in bar dazuzulegen, ist nach wie vor kein Fauxpas, im Gegenteil: Mancherorts wird das sogar immer noch explizit gewünscht. Deshalb empfiehlt es sich, bei dem Besuch fremder Gastronomiebetriebe etwas Bargeld bei sich zu haben. Überall dort, wo Selbstbedienung herrscht oder eine Speise beziehungsweise ein Getränk einem Gast lediglich auf die Theke gestellt statt gebracht wird, gilt: Niemand braucht sich durch ein Kartenlesegerät genötigt zu fühlen, entgegen üblicher deutscher Gepflogenheiten dort ein Trinkgeld zu geben.

02.07.2024
Kann der Verzicht auf einen E-Mail-Dank die Welt retten?
Billiarden täglich verschickter E-Mails belasten die Umwelt in ähnlich hohem Maße wie etwa der Gebrauch von Plastiktüten. Letzteren zu vermeiden, ist inzwischen gesetzlich unterstützt. Wie unterstützungsbedürftig wirkt im Vergleich dazu jedoch die Forderung, einen Dank – auch einen ziemlich knappen – per E-Mail zu unterlassen? Mit Blick auf die Reduzierung von CO2-Ausstoß ist es in der Tat angezeigt, unter anderem den E-Mail-Verkehr einzuschränken beziehungsweise zu selektieren. Ob das nun unbedingt auf Kosten einer wertschätzenden Kommunikation zwischen Menschen zu gehen hat, ist jedoch fraglich. Ein Dank – selbst ein relativ kurzer – ist ein so gut wie immer erfreuendes sowie stets respektvolles Zeichen. Deshalb scheint es lohnend, die persönliche „E-MailUmweltbilanz" eher durch andere Maßnahmen erträglich zu gestalten, als generell auf ein Dankeschön zu verzichten. Dazu einige Tipps: 1. Fragen Sie sich vor jeder Mail – nicht nur bei einem Dank! – ob diese wirklich notwendig ist. Ein hilfreicher Vergleich für die Entscheidung: „Hätte ich diese Info (diese Frage, diesen Satz) als Brief per Post verschickt, als es noch kein Internet gab?“ 2. Formulieren Sie einen Dank am besten bereits vorab, wenn Sie jemanden um etwas bitten – und sei es nur um eine Antwort. Die früher dafür gebrauchte „BürokratendeutschFormulierung“: „Im Voraus bestens dankend verbleiben wir mit freundlichen Grüßen …“ passt allerdings nicht mehr in unsere Zeit. Modernere Beispiele: „Ich freue mich auf Ihre Antwort und sage dafür bereits jetzt herzlichen (vielen) Dank!“ „Schon an dieser Stelle ein Dankeschön für Ihre Mühe!“ „Für Ihre Mithilfe danke ich Ihnen bereits jetzt.“ „Schon vorab ein Dankeschön für Ihre freundliche Unterstützung!“ 3. Verzichten Sie auf überflüssige Retour-Mails. Wenn keine Frage gestellt wurde, es weder einer Ergänzung noch einer Richtigstellung bedarf und kein Wunsch nach einer Replik erkennbar ist, beenden Sie die „Mail-Kette“. Hilfreich gegen eventuelle Unsicherheit: Die Erwartung einer Antwort durch die direkte Bitte danach zum Ausdruck bringen. 4. Nutzen Sie als Gedankenaustausch oder im Vorfeld von Sitzungen die Möglichkeit, statt viele E-Mails zu verschicken, die benötigten Beiträge auf eine digitale Pinnwand – zum Beispiel Teams – für alle abrufbar zu stellen. 5. Entscheiden Sie sich so oft wie möglich für eine persönliche Kommunikation. Beispiel: Statt die Kollegin im Büro am anderen Ende des Flurs per Mail zu fragen, was sie von einem gemeinsamen Mittagessen hält, gehen Sie einfach die paar Meter zu ihr hin und holen sich die Antwort direkt

22.05.2024
„No-Show“-Gebühr: zweiseitiges Aufregungspotenzial
Die Klagen seitens gastronomischer Betriebe über Gäste, die einen Tisch reservieren oder gar ganze Menüs vorbestellen und dann nicht erscheinen – die sogenannten „No-Shows“ – mehren sich in letzter Zeit deutlich. Seitens der Gastronomie verstärkt sich der Trend, den durch das Nichterscheinen zugefügten Verlust zu kompensieren. Entweder werden nach dem Fernbleiben No-Show-Gebühren erhoben oder es ist vorbeugend bei der Reservierung ähnlich einem „Pfand“ eine bestimmte Summe zu hinterlegen, die bei Erscheinen angerechnet wird, ansonsten verfällt. Für beide Versionen bedarf es für eine Reservierung die Hinterlegung einer Kreditkarte – bei Hotelbuchungen inzwischen seit Jahrzehnten geübte Praxis. Der Intensität des Aufregungspotenzials auf gastronomischer Seite steht gleiches auf der Gästeseite mit lautstarker Empörung über solches Vorgehen, teils Abzocke genannt, kaum nach. So werden Fragen nach dem „Dürfen“ und „rechtlichen Grundlagen“ vielfach diskutiert, tragen jedoch nichts zur Entspannung der Lage bei. Statt dass Gäste auf eventuelles Recht pochen oder anwendbare Gesetze suchen, um einer solchen „Strafe“ zu entgehen, ist es hilfreicher, wenn sie sich in die Lage eines gastronomischen Betriebes hineindenken. Eine Reservierung setzt unter anderem Prozesse wie Einkauf und Personalplanung in Gang. Außerdem kann sie bewirken, dass Gäste, etwa spontan Erschienene, weggeschickt werden, weil alles (vermeintlich) ausgebucht ist. Je kleiner ein Restaurant, je exquisiter die Küche ist – nur Frischeprodukte – und je weniger Laufkundschaft es gibt, umso eher steigt der Verdienstausfall, wenn Gäste ohne Stornierung oder mit sehr kurzfristiger Absage fernbleiben. Den Aspekt der damit verbundenen Lebensmittelverschwendung durch notwendige Entsorgung hier mal ganz unbeachtet gelassen, sollte also klar sein: Wer wertschätzendes Verhalten praktizieren will, wird grundsätzlich kein „No-Show“ und storniert kurzfristig lediglich, wenn es sich um einen Notfall wie plötzliche Krankheit handelt. Außerdem ist es für rücksichtsvolle Menschen tabu, in mehreren Restaurants gleichzeitig einen Tisch zu bestellen, um dann spontan entscheiden zu können, in welche kulinarische Richtung der Ausflug gehen soll.

27.12.2023
„Frohes Neues“! – Wie gut? Wie lange?
Die oft zu hörende Kurzversion „Frohes Neues!“ ist nicht das Nonplusultra und kann wenig wertschätzend wirken – besonders, wenn sie auch noch ohne Blickkontakt „dahingeballert“ scheint. Zudem erweckt sie möglicherweise den Eindruck, dass sich nur einer lästigen Pflicht entledigt wird oder es sich um einen ziemlich wenig ernst gemeinten Wunsch handelt. Mit einem vollständigen Satz lässt sich die Wertschätzung für Ihr Gegenüber weit besser zum Ausdruck bringen. Einen festgelegten Zeitraum, nach dessen Ende Neujahrswünsche „verboten“ wären, kann es selbstverständlich nicht geben. Übliche Gepflogenheiten hingegen schon. In der allgemeinen Öffentlichkeit – etwa in der Stamm-Bäckerei oder an der Supermarktkasse – ist meist spätestens eine Woche nach Jahresbeginn das „Haltbarkeitsdatum“ solcher Wünsche abgelaufen. Bei anderen relativ Fremden – wie in einer selten besuchten ärztlichen Praxis oder bei flüchtig bekannter Kundschaft – empfiehlt es sich, den Neujahrsgruß auf die ersten beiden Wochen des begonnenen Jahres beziehungsweise bis etwa Mitte des Monats zu begrenzen. Bei Teammitgliedern, Familienangehörigen, Befreundeten und guten Bekannten wird es niemanden wundern, eher sogar erfreuen, wenn Sie auch in der zweiten Januar-Hälfte noch „ein frohes neues Jahr“ wünschen. Wenn zu diesem Zeitpunkt der erste Kontakt nach dem Jahreswechsel stattfindet – sei er von Angesicht zu Angesicht oder schriftlich – könnte es eher brüskierend sein, wenn solches ausbliebe. Gleiches gilt für lange bestehende Geschäftsverbindungen, die eine persönliche Komponente bekommen haben. Egal, wem Sie den Neujahrsgruß relativ spät entgegenbringen: Es ist dann vorteilhaft, ihn etwas erklärend einzuleiten. Beispiel: „Das neue Jahr ist zwar schon 25 Tage alt, doch ich denke, für einen guten Wunsch ist es sicher noch nicht zu spät. Ich wünsche Ihnen (dir) von Herzen ein frohes, gesundes neues Jahr."